stimme


Abstimmungen vom 8. März 2015

Ethische Orientierungshilfe aus christlicher Sicht.

Der Artikel erscheint in der Ausgabe der März Nummer des treffpunkt.

Download pdf 

- Volksinitiative  «Energie- statt Mehrwertsteuer»

- Volksinitiative «Familien stärken! Steuerfreie Kinder- und Ausbildungszulagen»


Link zur Website des Bundes zu den Abstimmungen vom 8. März 2015


«Energie besteuern»

Abstimmung vom 8. März 2015 über die Volksinitiative „Energie- statt Mehrwertsteuer“. Von Thomas Wallimann-Sasaki

 Ende 2012 hat die Grünliberale Partei die Volksinitiative „Energie- statt Mehrwertsteuer“ eingereicht. Nicht zuletzt zusätzlich angetrieben durch die enormen Folgen der Katastrophe von Fukushima sollen umweltbelastende, nicht erneuerbare Energieträger wie Erdöl, Erdgas, Kohl oder Uran besteuert werden. Die Erträge aus dieser Steuer sollen gleich hoch ausfallen wie jene aus der gegenwärtigen Mehrwertsteuer (ca. 22 Mia Franken) und darum diese ersetzen. Auf diese Weise sollen einerseits umweltschädlicher Energieverbrauch direkt belastet, Konsumgüter und Wertschöpfung der Wirtschaft hingegen entlastet und steuerfrei werden. Die Initiantinnen wollen mit dieser Lenkungsabgabe endlich die umweltpolitischen Ziele erreichen, die vorgegeben sind. So werde diese Steuer mehr Eigenverantwortung fördern, da jede Steuerpflichtige ein Interesse hat, energie- und damit steuersparend zu leben. Zudem fördere dies die Innovationen in der Industrie (vgl. sog. Cleantech) und energiesparende (Um-)Bauprojekte – und führe auch zum Abbau der „Mehrwertsteuer-Bürokratie“ in Unternehmen.

Obwohl der Bundesrat die klima- und energiepolitischen Ziele der Initiative unterstützt, spricht er sich dagegen aus. Er lehnt einerseits die Abschaffung der Mehrwertsteuer ab und hält es für nicht zielführend, wenn die Höhe der Energiesteuer jene der Mehrwertsteuer ausmachen muss. Denn dies hiesse, dass die Energiesteuer sehr hoch ausfallen würde (Erhöhung des Benzinpreises um bis zu 3 Fr. pro Liter). Dies wiederum treffe ärmere Haushalte stärker.

Auf der Sachebene ist zu sehen, dass die Initiative zwei Ziele gleichzeitig verfolgt. Einerseits ist sie eine Lenkungssteuer. Diese hat zum Ziel, Verhalten zu steuern. Wenn sie erfolgreich sind, werden die Abgaben also kleiner, weil sich Energiekonsumierende sparsam verhalten oder umweltfreundliche Energien brauchen. Auf der andern Seite will die Energiesteuer die Mehrwertsteuer ersetzen. Diese jedoch ist eine zentrale Steuer für den Staat, um seine Aufgaben zu erledigen. Ihre Höhe entspricht in etwa der Entwicklung des Bruttoinlandprodukts (BIP). Das heisst, dass bei wachsendem BIP die Steuererträge (der Energiesteuer) zunehmen sollten. Ist die Lenkungswirkung optimal, müsste also die Energiesteuer gleichwohl immer wieder erhöht werden, um das „Mehrwertsteuer-Ziel“ noch zu erreichen.

Auf der Wertebene verpflichtet das Prinzip der Nachhaltigkeit zu einem Umgang mit natürlichen Ressourcen (Sorge um die Schöpfung), dass auch künftige Generationen sich entwickeln können und wir mit Risiken sorgfältig umgehen, um unsere Zukunft nicht zu gefährden. Es ist unbestritten, dass unser Energieverbrauch diesen Vorgaben weitgehend nicht entspricht. Mit Blick auf das Solidaritätsprinzip ist zudem zu fragen, welche Folgen die Vorlage auf Benachteiligte und Arme hat. Gerade diese Menschen leben oft in Verhältnissen (alte Wohnungen, alte Verkehrsmittel), die viel Energie brauchen, und die sie z.B. im Bereich Miete nicht beeinflussen können, da Wohnungsbesitzer die Energiekosten direkt weiterbelasten.


Stossrichtung und Grundsatz der Initiative sind für fast alle einleuchtend und nachvollziehbar. Wie üblich liegt auch hier die Schwierigkeit in den Detailfragen und aus christlich-ethischer Sicht in den Folgen auf die am meisten Benachteiligten und Armen. Zudem gilt es einen Blick auch auf das Staatswohl zu lenken, da dieser seine Aufgaben nicht ohne Steuern erfüllen kann. Wer die Schwierigkeiten, die zwischen den beiden Zielen der Initiative stecken, kleiner einschätzt als der gesamte Nutzen für Umwelt und Menschen, wird eher zustimmen. Wer hingegen in der angezielten Energiebesteuerung eine stärkere Belastung gerade für arme und benachteiligte Haushalte sieht als durch das gegenwärtige Mehrwertsteuermodell wird eher nein stimmen. Doch dann bleibt die Aufgabe weiter brennend, zur Sicherung der Zukunft für künftige Generationen dringend andere Massnahmen zu ergreifen, damit sorgfältig mit nicht erneuerbaren Energien umgegangen wird. Denn weder Energiewende noch staatliches Handeln sind zur Sicherung des Gemeinwohls, damit es wirklich allen Menschen auf dieser Erde (auch in Zukunft) gut geht, nicht gratis zu haben.

 

 

«Familieninitiative»

Abstimmung vom 8. März 2015 über die Volksinitiative „Familien stärken! Steuerfreie Kinder- und Ausbildungszulagen. Von Thomas Wallimann-Sasaki

 

Die von der CVP im November 2012 eingereichte Initiative will, dass Kinder- und Ausbildungszulagen auf Bundes-, Kantons- und Gemeindeebene künftig steuerfrei sind. Denn von den ausbezahlten Zulagen fliessen heute ca. 20% über Steuern zurück an den Staat. Dies sei eine Schwächung der Familien, die selber auf viel verzichten und das Fundament der Gesellschaft bilden. Bundesrat sowie Parlament lehnen die Initiative ab, da einerseits 1 Milliarde Franken an Steuerausfällen drohen und andererseits bereits steuerreduzierende Möglichkeiten für Familien gegeben sind. Zudem bezahlen rund die Hälfte aller Familien schon jetzt keine Bundessteuern. Die Hauptargumente der GegnerInnen betonen weiter, dass mit der Vorlage besser gestellte Familien überdurchschnittlich Steuern sparen (vgl. Progression), wenig begüterte aber kaum etwas davon haben. Eine Kindergutschrift statt steuerfreie Beiträge hätte daher mehr Wirkung.

Auf der Wertebene ist aus christlicher Sicht unbestritten, dass das Engagement für eine Familie gerade in unserer Gesellschaft ein klares Zeichen für Gemeinschaft und Gesellschaft darstellt. Ein solches gemeinwohlorientiertes Handeln braucht Unterstützung, denn Familie ist mehr als ein „Projekt“, das man managen kann. Doch es geht auch um die Frage nach der Sorge um die meist-benachteiligten und um die Verteilung von Nutzen und Lasten. Die wirklich ärmsten Familien – also jene, die am dringendsten Hilfe benötigen – sind von der Steuerfrage nicht betroffen, da sie keine Steuern bezahlen können bzw. müssen. Hier sind andere Mittel gefragt.

Entscheidend ist für die abschliessende Beurteilung, wie Nutzen- und Lastenverteilung eingeschätzt wird. Wer davon ausgeht, dass mit der Vorlage Familien mit grösserem Einkommen übermässig Vorteile (viel weniger Steuern) erhalten, wird eher Nein stimmen. Wer grundsätzlich Familien helfen will, dass sie weniger Steuern bezahlen müssen, auch wenn dies für untere und mittlere Einkommen nur wenig ist, wird Ja stimmen.